In Zeiten des Vor-Merz
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- Kategorie: DRF online
- Veröffentlicht am Mittwoch, 05. Februar 2025 15:00
- Geschrieben von estro
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- Gedanken zur Bundestagswahl -
Am 23. Februar 2025 steht die vorgezogene Bundestagswahl vor der Tür – eine Wahl, die in einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Unzufriedenheit und politischer Polarisierung stattfindet. Die Menschen sind mit der bestehenden Politik zu Recht zunehmend unzufrieden. Doch was sind die tatsächlichen Alternativen? Wie können wir unser Votum sinnvoll einsetzen und was erwartet uns von den Parteien, die auf dem Wahlzettel stehen?
Die Hürden für die KPD und die Realität des bürgerlichen Parlamentarismus
In Deutschland sind die Hürden für kleinere, nicht-etablierte Parteien sehr hoch. Die KPD tritt deshalb nicht zur Bundestagswahl an. Die Zeit, um die erforderlichen 27.000 Unterschriften bundesweit zu sammeln, war schlichtweg zu kurz um dies überhaupt in Erwägung zu ziehen, und damit eine Teilnahme zu ermöglichen. Genossen der KPD sowie Vertreter anderer kleiner Parteien haben direkt nach Bekanntwerden, gegen diese Praxis Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, jedoch wurde der Einspruch abgewiesen. So bleibt uns die Teilnahme an dieser Wahl verwehrt – eine Realität, die die undemokratischen Strukturen des bürgerlichen Parlamentarismus verdeutlicht. Für die KPD gibt es auf diesem Wahlzettel keine wirkliche Alternative zum kapitalistischen System.
Dennoch ist es wichtig, sich die Frage zu stellen, was uns das Parlament unter den bestehenden Bedingungen überhaupt bieten kann. Die meisten Parteien, die zur Wahl stehen, sind tief in das System der kapitalistischen Ausbeutung verstrickt. Dies zeigt sich beispielsweise in der zunehmenden sozialen Ungleichheit, der Privatisierung öffentlicher Güter und der Ausbeutung von Arbeitskräften. Diese Missstände werden durch die Politik der etablierten Parteien immer wieder reproduziert. Ich könnte jetzt hier die Parteien und deren Personalien die zur Wahl stehen und als Kanzler und Minister gehandelt werden der Reihe nach aufführen, deren Verstrickungen mit der Finanzwirtschaft beschreiben um deutlich zu machen woher sie kommen und für wessen Klasse sie Politik machen. Ich erspare mir das und verweise auf Lenin der in seiner Analyse der bürgerlichen Politik wenige Wochen nach der Februarrevolution in Russland bereits feststellte:
„Die ganze Provisorische Regierung ist eine Regierung der Kapitalistenklasse. Es handelt sich um die Klasse und nicht um Personen. Personen persönlich angreifen, ihre Absetzung fordern, sei es direkt oder indirekt, ist eine leere Komödie, denn kein Personenwechsel ist imstande, etwas zu ändern, solange nicht die Klassen, die an der Macht stehen, gewechselt haben.“ (nach W.I.Lenin, Prawda Nr. 37, 4. Mai 1917)
Diese Einsicht ist nach wie vor gültig und beschreibt treffend die Grenzen der parlamentarischen Demokratie im Kapitalismus. Es geht uns nicht um den Austausch von Personen, sondern um den Wechsel der herrschenden Klassen. Das parlamentarische System dient dazu, das kapitalistische Machtgefüge zu stabilisieren und zu erhalten, nicht, es zu verändern.
Protestwahlen und die falsche Hoffnung auf eine Rückkehr zur „sozialen Marktwirtschaft“
Ein neues Phänomen auf der politischen Bühne ist das Bündnis um Sahra Wagenknecht, das sich als Alternative zu den etablierten Parteien präsentiert. Ihre Partei, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), setzt auf eine Rückkehr zur „sozialen Marktwirtschaft“, ein Konzept, das im Kapitalismus bleibt und an den bestehenden Strukturen der Ausbeutung nichts ändern möchte. Trotz mancher differenzierterer Positionen, etwa in der Friedenspolitik, bleibt diese Partei eine Vertreterin des kapitalistischen Systems.
Viele Protestwähler sehen in dieser Partei eine Lösung und eine Möglichkeit, den sozialpolitischen Kurs zu korrigieren. Besonders in der Friedenspolitik gibt es deutliche Unterschiede zu den etablierten Parteien, die oft in der Rüstungsfrage und der Eskalation des Ukraine-Konflikts versagen. Die Forderung nach einem schnellen Ende des Krieges und nach diplomatischen Lösungen ist zweifellos wichtig und richtig. Doch eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse, die die Ursachen von Krieg, Armut und sozialer Ungleichheit anpackt, kann auch das Bündnis Wagenknecht nicht bieten. Solange die sogenannte „soziale Marktwirtschaft“ die Grundlage der Gesellschaft bleibt, werden diese Probleme fortbestehen.
Das marxistische Basis-Überbau-Modell und die Begrenztheit des Parlamentarismus
Das marxistische Modell des Basis-Überbaus erklärt, dass die politischen Institutionen – das Parlament eingeschlossen – nicht die eigentlichen Ursprünge der sozialen Probleme sind, sondern lediglich die politische Ausprägung der ökonomischen Basis: der kapitalistischen Produktionsweise. Das bedeutet, dass parlamentarische Veränderungen – auch wenn sie zu einer gewissen Verbesserung führen können – nicht ausreichen, um die grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus zu überwinden. Der Parlamentarismus ist also kein neutraler Raum, in dem die Interessen der Bevölkerung gleichberechtigt vertreten werden. Vielmehr ist er ein Mechanismus, durch den die herrschende Klasse ihre Interessen durchsetzt, oder um es nochmal in den Worten Lenins unter Bezugnahme auf Marx zu zitieren: „(...) Demokratie für eine verschwindende Minderheit, Demokratie für die Reichen – so sieht der Demokratismus der kapitalistischen Gesellschaft aus. Sieht man sich den Mechanismus der kapitalistischen Demokratie genauer an, so findet man überall, sowohl in den „geringfügigen“, angeblich geringfügigen, Einzelheiten des Wahlrechts (..) als auch in der Technik der Vertretungskörperschaften, in den tatsächlichen Behinderungen des Versammlungsrechts (die öffentlichen Gebäude sind nicht für „Habenichtse“ da!) oder in der rein kapitalistischen Organisation der Tagespresse und so weiter und so fort – überall, wo man hinblickt, Beschränkungen auf Beschränkungen des Demokratismus. Diese Beschränkungen, Ausnahmen, Ausschließungen und Behinderungen für die Armen erscheinen gering, besonders demjenigen, der selbst nie Not gekannt hat und mit dem Leben der unterdrückten Klassen in ihrer Masse nicht in Berührung gekommen ist (und das trifft für neun Zehntel, wenn nicht gar für neunundneunzig Hundertstel der bürgerlichen Publizisten und Politiker zu) – aber zusammengenommen bewirken diese Beschränkungen, daß die arme Bevölkerung von der Politik, von der aktiven Teilnahme an der Demokratie ausgeschlossen, verdrängt wird. Marx hat dieses Wesen der kapitalistischen Demokratie glänzend erfaßt, als er in seiner Analyse der Erfahrungen der Kommune sagte: den Unterdrückten wird in mehreren Jahren einmal gestattet, darüber zu entscheiden, welcher Vertreter der unterdrückenden Klasse sie im Parlament ver- und zertreten soll! (…)“
(W.I.Lenin, Staat und Revolution. September 1917)
Das bürgerliche Parlament ist ein Instrument zur Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse. Die zur Wahl stehenden Parteien verteidigen diese Verhältnisse und stellen somit die Interessen der Kapitalistenklasse in den Mittelpunkt. Solang die Eigentumsfrage nicht grundsätzlich gestellt und auf die Agenda gehoben wird, werden auch die dem System immanenten Probleme nicht gelöst werden können. Diese Parteien setzen keine wirklichen Lösungen für die Arbeiterklasse um, sondern helfen dabei, das kapitalistische System in seiner derzeitigen Form zu stabilisieren.
Die Notwendigkeit einer revolutionären Perspektive
Die Veränderungen, die notwendig wären, um eine gerechtere, friedlichere und solidarische Gesellschaft zu schaffen, gehen über das hinaus, was der Parlamentarismus uns bieten kann. Eine wirkliche Veränderung erfordert den Sturz des Kapitalismus und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft.
Es ist wichtig, dass die Arbeiterklasse sich nicht mit den alternativen, aber letztlich systemerhaltenden Positionen von Wagenknecht und ähnlichen Bewegungen zufrieden gibt. Die KPD und andere kommunistische Kräfte fordern nicht einfach eine „bessere Verwaltung“ des Kapitalismus, sondern eine fundamentale Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Arbeiterklasse muss sich als eigenständige, politisch handlungsfähige Kraft organisieren, um die kapitalistische Ausbeutung zu überwinden.
Fazit: Die Wahl und die richtige Perspektive
Die kommende Bundestagswahl bietet uns eine Möglichkeit, unsere Ablehnung gegenüber dem bestehenden System zu artikulieren. Doch ist es wichtig, diese Wahl nicht als eine Plattform für bloße „Protestwahlen“ misszuverstehen die letztlich das bestehende System stabilisieren. Die KPD wird nicht auf dem Wahlzettel stehen, aber unsere Aufgabe bleibt es, die Arbeiterklasse für den revolutionären Kampf zu gewinnen.
Marx wie auch später Lenin haben stets betont, dass Wahlen im Kapitalismus zwar nie die Lösung darstellen, aber dennoch als taktisches Mittel genutzt werden können, um die reaktionären Kräfte zu schwächen und den Raum für eine revolutionäre Perspektive zu erweitern. In der aktuellen Zeit von Aufrüstung, verstärkter Repression und der ständigen Gefahr einer Ausweitung der Kriege zu einem Weltkrieg ist es ein unhaltbarer Zustand dass die kommunistische Bewegung nicht in der Lage ist als geeinte Kraft aufzutreten. Aber so beklagenswert dieser gegenwärtige Zustand ist, dürfen wir nicht in die Falle der Nichtteilnahme oder des ungültigen Wählens tappen. Diese Haltung bringt uns in der gegenwärtigen Lage nichts. Darum appellieren wir daran dennoch an den bürgerlichen Wahlen teilzunehmen und jeweils jene Personen zu wählen, die am glaubwürdigsten gegen die Aufrüstungs- und Kriegspolitik auftreten.
Der Sturz des Kapitalismus bleibt das Ziel. Doch diese Veränderung bleibt ferne Utopie solang die Arbeiterklasse die eigenständige Organisierung nicht schafft – nicht nur in Wahlen, sondern vor allem auf der Straße, am Arbeitsplatz und in den alltäglichen Kämpfen. Die Herausforderung liegt heute darin, den Widerstand gegen das kapitalistische System trotz der schwierigen Ausgangslage fortzusetzen. Wir müssen alles tun um die unsägliche Spaltung in der Bewegung zu überwinden und mit allen Mitteln für die Einheit der Kommunisten arbeiten. Wir verstehen uns als Teil der noch zu schaffenden zukünftigen KPD und reichen all jenen die Hand die dieses Ziel teilen und daran mitarbeiten. Nur durch einen klaren Bruch mit dem Kapitalismus, heißt der rigorosen Veränderung der Eigentumsverhältnisse, können wir eine Gesellschaft schaffen, die auf Gerechtigkeit und Solidarität basiert und in der echte Demokratie umgesetzt werden kann.
MN
Der Beitrag ist Ende Januar für die Februarausgabe "Die Rote Fahne" geschrieben worden, war aber zuviel für die Druckausgabe. Weitere Beiträge zum Thema sowie weiteren findet ihr in der Printausgabe. Ihr unterstützt uns und unsere Sache sehr mit einem Abonnement: https://www.k-p-d.org/index.php/die-rote-fahne/abo-bestellung
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